Mittwoch, 25.01.2023 WIRTSCHAFT IM OSTEN - IMMER MITTWOCHS
+++ Wie Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig im W+M-Interview die Herausforderungen für die Wirtschaft, den Zusammenhalt der ostdeutschen Länder und die Ziele für 2023 definiert +++ Wie sich die mitteldeutschen Flughäfen entwickeln +++ Wie es um die Intel-Ansiedlung in Magdeburg steht +++ Wie der Rostocker Hafen zukunftsfest gemacht wird +++ Was nach Pandemie, Krieg und Inflation folgt +++ Was die wichtigsten Managementfehler beim radikalen Wandel sind +++ Worüber wir am 15.02.2023 in der W+M-Club-Lounge sprechen wollen +++
zwischen Bekanntgabe der Ansiedlung durch Tesla-Chef Elon Musk am 12. November 2019 und dem Genehmigungsbescheid lagen nur 843 Tage. Das war in Rekord und wurde „Tesla-Geschwindigkeit“ genannt. Auch wenn Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach immer davor warnte, diese Geschwindigkeit aufgrund vieler Besonderheiten nun zum Maß der Dinge zu machen, hat die Bundesregierung mit der Inbetriebnahme der LNG-Terminals in Wilhelmhafen, Lubmin und Brunsbüttel den Rekord gebrochen und ein neues Tempo vorgelegt. In nur sieben Monaten entstand ein Infrastrukturprojekt, für das sonst Jahre gebraucht worden wären. Ob das aber der Durchbruch bei den Planungs- und Genehmigungszeiten ist, darf bezweifelt werden, obwohl es doch so wichtig wäre. Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig sieht keine Alternative, die Wirtschaftsminister aus Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringens sind da vorsichtiger.
Das Jahr 2023 wird es zeigen. Bewahren Sie sich einen klaren Blick
W+M sprach mit dem Sächsischen Staatsminister für Wirtschaft und Arbeit Martin Dulig über die Herausforderungen an die sächsische Wirtschaft, den Zusammenhalt der ostdeutschen Länder und was alles 2023 passieren sollte.
Wir sind glimpflich durch die Krise gekommen
Sachsen Wirtschaft ist bisher glimpflich durch die Krise gekommen. Ein Vorteil besteht in der Flexibilität der vornehmlich kleinteilig aufgestellten Wirtschaft, aber Dulig betont auch:
„90 Prozent der Unternehmen sind klein- und mittelständisch und haben weniger als zehn Beschäftigte. Das ist Fluch und Segen zugleich. Es ist segensreich, wenn es um die notwendige Flexibilität geht, auf Veränderungen schnell zu reagieren. Es hat aber auch den Nachteil, dass bei Unternehmen, deren Eigenkapitaldecke geringer ist, selten eigene Forschung betrieben wird und damit die Innovationskraft eingeschränkt ist. Diese Differenziertheit ist aber typisch ostdeutsch.“
Allerdings ist Sachsen natürlich auch ein Industrieland:
„Damit sind wir, genauso wie andere Industrieländer, von den gestörten Lieferketten und der Ressourcenproblematik betroffen. Aber auch hier hat sich die sächsische Wirtschaft behauptet. „
Leuchttürme der Transformation
Dulig nennt Leuchttürme, „die trotz und wegen der Krisen sich erfolgreich der Transformation gestellt haben.“
Mit dem Aufbau des Weiterbildungszentrums bei Volkswagen in Zwickau wurden die Mitarbeiter in die neue Zeit der E-Mobilität mitgenommen, obwohl gerade langjährige Mitarbeiter wenig Lust verspürten, sich nochmals auf die Schulbank zu setzen.
„Volkswagen hat damit ein Beispiel geschaffen, wie Transformation funktioniert. Es geht darum, die Menschen mitzunehmen, denn viele sehen keine Notwendigkeit für Veränderungen bzw. haben Angst davor.“
Einen weiteren Leuchtturm nennt Dulig die Branche der Mikroelektronik. Hier gibt es Bedarfe, die weit über den aktuellen Kapazitäten liegen und wo hohe Abhängigkeiten von internationalen Lieferketten bestehen. Dulig betont die Chance für Sachsen und die gesamte Region:
„Da haben wir in Sachsen natürlich eine riesengroße Chance, weil wir hier bereits der führende Standort in Europa sind. Es ist auch kein Widerspruch, wenn Intel jetzt nach Sachsen-Anhalt geht. Es ist wichtig für den Vorsprung Ost, weil wir zeigen, dass wir hier im Osten die Voraussetzungen haben, um Spitzenpositionen einzunehmen. Wir erweitern damit auch den Arbeitsmarkt. Die großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, sind die Fachkräfte und die Investitionen in die erforderliche Infrastruktur. Und das macht diese Branche mit den Entscheidungen von Bosch, sein Werk auszubauen, und von Infineon, über fünf Milliarden Euro in eine neue Chipproduktion in Sachsen zu investieren, zu einem Leuchtturm in Europa.“
Auch die Ansiedlung des Solarmodulproduzenten Meyer Burger sieht Dulig als ein Leuchtturmprojekt.
„Leider haben wir in Europa zugelassen, dass die Solarwirtschaft speziell in Deutschland kaputtgegangen ist. Mit Meyer Burger haben wir jetzt erstmals wieder ein Unternehmen, was Solarmodule selbst produziert. Auch das ist ein Leuchtturmprojekt.“
Die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes wird durch die Verfügbarkeit grüner Energie bestimmt
Sachsen ist Schlusslicht beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Dass sich das ändern muss, betont der Minister:
„Das Thema wurde von einigen Parteien zu lange als Kulturkampf betrachtet – ohne dabei an die Sicherung der Arbeitsplätze zu denken. Wir haben auch nach wie vor strukturelle Nachteile beim Thema Energie durch höhere Netzentgeltzahlungen, was eine Ungerechtigkeit darstellt und zu einem Standortnachteil führt.“
Dulig hebt allerdings hervor, dass gerade beim Thema Wasserstoff Sachsen und der gesamte Osten ganz vorn dabei sein können.
„In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg haben wir aber deutlich bessere Voraussetzungen beim Thema grüner Wasserstoff als anderswo, weil wir hier entlang der gesamten Wertschöpfungskette über das nötige Know-how verfügen. Wir haben etwa in Sachsen nicht nur Forschung und Entwicklung, sondern auch die Unternehmen, die Elektrolyseure bauen, etwa Sunfire, Linde oder Siemens Energy. Wir haben Flächen in der Lausitz, die nach der Braunkohle für die Erzeugung erneuerbarer Energien bereitstehen und wir haben die Anwendungen für die Industrie, speziell im Bereich der Mobilität. Das heißt, wir haben in Ostdeutschland riesengroße Chancen, unsere Wettbewerbsstärke weiter auszubauen und tatsächlich vor den westdeutschen Bundesländern zu liegen.“
Die Zusammenarbeit der ostdeutschen Länder ist Teil unseres Erfolgs
Dulig ist sich sicher, dass ohne die gute Zusammenarbeit der ostdeutschen Länder untereinander, der Aufbau einer wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstruktur nicht möglich gewesen wäre. Als Beispiel nennt er den Kohlekompromiss
„Wenn die Energieländer Sachsen, Sachsen–Anhalt und Brandenburg nicht gemeinsam agiert hätten, wären wir niemals so erfolgreich beim Kohlekompromiss gewesen. Die Lausitz endet nicht an irgendeiner Landesgrenze, genauso wie es der Industrieregion Mitteldeutschland egal ist, wo eine Landesgrenze verläuft. „
Die neue Deutschland-Geschwindigkeit
Auf die Frage, warum Planungs- und Genehmigungsverfahren immer noch Ewigkeiten dauern, widerspricht Dulig massiv:
„Die Bundesregierung hat sich gerade selber einen neuen Maßstab gegeben. Wer es schafft, in sieben Monaten LNG-Terminals zu bauen, setzt neue Maßstäbe. Dafür hätte man sonst Jahre gebraucht.“
Auch auf geäußerte Bedenken, dass diese Geschwindigkeit doch mehr eine Ausnahme ist, bleibt er dabei:
„Ich sehe keine Alternative, wenn wir im internationalen Wettbewerb bestehen wollen. Und Europa ist ja nicht im besten Zustand, wenn ich mir die dynamischen Mitbewerber in der Welt anschaue. Will Deutschland weiter der wirtschaftliche und innovative Motor in Europa sein, dürfen Infrastrukturprojekte keine Aufgaben für Generationen mehr sein.“
Was 2023 unbedingt gelingen muss
„Die Grundvoraussetzung ist Frieden auf der Welt. Denn ohne Frieden ist alles nichts.“
Darin schließt Dulig auch den inneren Frieden ein und wünscht sich:
„Dass wir den Zusammenhalt wieder stärker in den Mittelpunkt stellen, um die entstandene Spaltung der Gesellschaft aufzuheben.“
Darüber hinaus muss es 2023 gelingen, die Energieversorgung sicherzustellen und die Arbeits- und Fachkräfteprobleme endlich so angehen, dass sie auch den erforderlichen kulturellen und strukturellen Wandel vollziehen.
Mitteldeutsche Flughäfen wachsen Im vergangenen Jahr zählten die Flughäfen Dresden und Leipzig/Halle insgesamt 2.403.772 Fluggäste. Gegenüber dem Vorjahr 2021 entspricht das einem Zuwachs von 140,1 Prozent. Damit haben sich Passagierzahlen mehr als verdoppelt. Die Zahl der Flugbewegungen erhöhte sich um 11,6 Prozent auf 101.022.
Intel Magdeburg: Voll im Zeitplan Intel-Chef Pat Gelsinger hat während des Weltwirtschaftsforums in Davos den Spekulationen zu Verzögerungen beim Bau der Chipfabrik in Magdeburg widersprochen. Man sei insgesamt im Plan.
Rostocker Hafen wird zukunftsfest gemacht Der Rostocker Seehafen ist mit einer Nutzfläche von 750 Hektar und 47 Schiffsliegeplätzen der größte Universalhafen an der deutschen Ostseeküste. Er ist zudem das größte maritime Industrie- und Gewerbegebiet in Mecklenburg-Vorpommern.
W+M Beiträge
W+M-Gastbeitrag: Krieg, Pandemie, Inflation, Zinsen: Was kommt danach? Kriege haben immer die Inflation getrieben: Die heftigste Inflation gab es während und nach den beiden Weltkriegen im 20. Jahrhundert. Kleinere Kriege danach, wie etwa der Jom-Kippur-Krieg, der zu einem Ölpreisschock in den 70iger Jahren führte und der Falklandkrieg, der die Inflation im Vereinigten Königreich befeuerte, sind Beispiele. Ein Gastbeitrag von Prof. Florian Stapper.
W+M-Serie: Managementfehler des radikalen Wandels: Der Fokus auf Bewahren und Verbessern In Zeiten des Wandels wird Bewährtes auf den Prüfstand gestellt, weil das bisher erfolgreiche Konzept oder Geschäftsmodell nicht mehr für die Zukunft taugt. Darüber reden wir seit Jahren, ohne uns ernsthaft zu bemühen. Erst in den letzten zwei Jahren begriffen viele, dass es ernst ist und ein Durchmogeln und eine Rückkehr zu alten Zeiten nicht mehr möglich ist. Gebraucht wird der radikale Wandel. Dazu hat Dr. Jens-Uwe Meyer ein Buch geschrieben. Wir veröffentlichen daraus in einer sechsteiligen Serie „Die größten Fehler beim Management des radikalen Wandels“.
Was haben sie gelernt in den Monaten seit September des vergangenen Jahres?
Was steht Berlin nun bevor?
Die Club-Lounge ist eine Kooperationsveranstaltung von Wirtschaft+Markt und dem MPW – Forum für Medien, Politik und Wirtschaft im Berlin Capital Club.
15. Februar 2023, 19:00 Uhr, Berlin Capital Club, Mohrenstraße 30, 10117 Berlin
Anmeldung:Berlin Capital Club - Club-Lounge Wenn Sie kein Mitglied im Berlin Capital Club sind, tragen Sie bei Mitgliedsnummer einfach “Club-Lounge” ein. Teilnehmerbeitrag: 49 Euro inkl. Köstlichkeiten aus Küche und Keller.
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Bilanz W+M 2022 - Das Gute Im Osten Das W+M-Onlinemagazin hat sich weiter zu der Plattform für die Wirtschaft im Osten entwickelt. Ob in exklusiven Interviews mit Wirtschaftsvertretern oder Politikern aus Bund und Ländern, immer ging es darum, die Befindlichkeit und den Optimismus der ostdeutschen Wirtschaft zu spiegeln.
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